Im darauf folgenden Herbst berief man mich, obwohl ich mit Ende Dreißig eigentlich schon zu alt war, aufgrund dieser Leistung in die Landesauswahl. Das bedeutete, dass ich im Winterhalbjahr bis zum Beginn der Saison alle vier Wochen an einer Wochenendschulung in einer Schießsportschule teilnehmen konnte. Ich freute mich, denn ich war gespannt auf neue Trainingsmethoden und Anregungen vor allem in diesen neuen mentalen Bereichen.
Doch nicht nur darin hatte ich mich getäuscht. Im Landeskader waren mentale Methoden gänzlich unbekannt, und statt einer Leistungssteigerung erlebte ich schon nach wenigen Schulungswochenenden einen Einbruch bei meinen Ergebnissen, den ich mir zunächst nicht erklären konnte.
Wir machten viel Ausgleichssport und wurden mit einem sogenannten Zirkeltraining getestet, einer extremen Meßmethode der allgemeinen Kondition. Soweit ich mich heute noch erinnern kann, sollten in sechs Minuten sechs Positionen absolviert werden, jeweils 30 Sekunden maximale Leistung wie Klappmesser zum Beispiel, dann 30 Sekunden Ruhe, dann wieder 30 Sekunden Belastung usw. Bei der letzten Übung sollte ich auf dem Bauch liegend so oft als möglich einen Medizinball über einen Kasten hinauf an die Wand werfen. Einen der Bälle warf ich so hart, dass er über mich hinwegzufliegen drohte. Ich schnellte mit Kopf und Oberkörper nach hinten und konnte ihn gerade noch auffangen und wieder an die Wand werfen. Meine Punktezahlen waren im Vergleich zu den meist 18 bis 20-jährigen Kameradinnen nicht schlecht, doch wie sich später herausstellte, hatte ich mir bei dieser Übung selbst ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule zugezogen. Direkt nach diesem Zirkeltraining hatte ich Schmerzen im linken Oberarm, die in den folgenden Wochen immer stärker wurden, wenn ich den Bogen in die Hand nahm. Meine Ergebnisse im Schießen waren miserabel. Ich zweifelte wieder an mir selbst, schob meinen Stress und die Verspannungen auf die Erwartungshaltung des Trainers. Ich hatte keine Erklärung für diesen plötzlichen, gravierenden Leistungseinbruch, an die Übung dachte ich nicht. Erst sehr viel später machte mich ein Orthopäde, dem ich davon berichtete, darauf aufmerksam, dass hier durchaus Zusammenhänge bestehen könnten.
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